TSV-Trainer Stefan Kölsch im Interview
Die Fragen stellte Peter Schössler (Aktuell4u.de)
Wie sehr verändert die Pandemie die Welt der Leichtathletik und damit auch der Athletinnen und Athleten?
Grundsätzlich muss man natürlich sagen, dass in diesem Zusammenhang der Sport die schönste Nebensache der Welt ist. Will heißen, ja die Pandemie hat die Welt der Leichtathletik verändert, aber wir sind hier nur ein kleines Licht im gesamten Gefüge des gesellschaftlichen Lebens, das für viele Menschen Veränderungen und zum Teil auch Probleme gebracht hat. Wir Sportlerinnen und Sportler mussten Lösungen finden, wie wir unsere Trainingseinheiten im eigenen Garten, im Wohnzimmer oder im Weinberg statt auf der Laufbahn durchführen konnten. Für mich als Trainer gab es über mehrere Wochen nur Online-Kontakt zu meinen Athletinnen und Athleten und als wir dann wieder gemeinsam miteinander trainieren konnten, war auch noch nicht klar, wird es eine Freiluftsaison geben und wenn ja, wann wird sie starten und welche Wettkämpfe und Meisterschaften wird es geben können? Vor diesem Hintergrund war es speziell für die Trainerinnen und Trainer und deren Athletinnen und Athleten schwierig, die mit dem Ziel auf eine nationale oder internationale Meisterschaft trainiert haben. Denn eine vernünftige Trainingsplanung auf einen Saisonhöhepunkt hin war lange Zeit nicht möglich. Als dann klar war, dass es zumindest einige wenige Meisterschaften geben würde, u. a. auch die Deutschen Jugendmeisterschaften Anfang September in Heilbronn, musste man sich in ganz Deutschland Wettkämpfe suchen, um über diese auch die nötige Wettkampfhärte zu bekommen. All dies gestaltete sich überaus schwierig, da es aufgrund der vorgegebenen Hygienevorschriften nur wenige Angebote gab. Auch die Deutschen Meisterschaften selbst, die ohne Zuschauer und unter strengsten Hygienevorgaben stattfanden, stellten noch einmal eine besondere Herausforderung dar. Eine besondere Erfahrung für die Sportlerinnen und Sportler war auch, dass die Erstplatzierten keine Siegerehrung bekamen, sondern ihre Medaille und Urkunde einzeln hinter der Tribüne abholen mussten. Die nächste Herausforderung wird uns sicherlich im Winter erwarten, der Jahreszeit, in der die Bahnathleten ihr Hallentraining und die Hallenwettkämpfe absolvieren. Hier wird sich zeigen, ob die Belüftungssituation in den Hallen einen einigermaßen geregelten Ablauf möglich machen wird. Ansonsten muss man auch hier improvisieren und vermehrt ins Gelände ausweichen.
Lucia Sturm, die für Lehmen startet, ist gerade Dritte der Deutschen U20 Jugendmeisterschaften über 800 m geworden. Ist ein Verein wie der TSV in der Lage, eine solche Sportlerin an sich zu binden?
Lucia ist eine sehr talentierte, bodenständige und charakterstarke junge Sportlerin, die genau weiß was sie will. Für sie spielt ein familiäres Umfeld und die damit verbundenen persönlichen Bindungen eine ganz wichtige Rolle. Ich glaube, dies ist in der Leichtathletikabteilung des TSV auf jeden Fall gegeben. Ich möchte auch behaupten, dass wir als Team sehr gut miteinander harmonieren, was sicherlich auch ein wesentlicher Faktor für Lucias Leistungsentwicklung in den vergangenen drei Jahren ist. Lucia hat für ihre sportliche Zukunft klare und realistische Ziele formuliert, bei deren Erreichung ich sie definitiv unterstützen kann und will. Auch der Verein und der Förderverein des TSV unterstützen die Leichtathleten wo sie nur können, so dass wir grundsätzlich gute Bedingungen zum Erreichen von Spitzenleistungen haben, auch wenn wir für das Leistungstraining ins Gelände oder auf Leichtathletikanlagen in Ochtendung oder Polch ausweichen müssen. Sehr gefreut hat Lucia auch der Anfang des Jahres von der Gemeinde Lehmen verliehene Bürgerpreis, der eine Anerkennung für die erbrachten Leistungen ist und ihr bundesweites Auftreten als Werbeträger für die Gemeinde und die Region würdigt! Im kommenden Sommer wird Lucia ihr Abitur ablegen und anschließend voraussichtlich ein Studium an der Universität in Koblenz beginnen. Zum jetzigen Zeitpunkt darf man unter Berücksichtigung aller genannten Punkte also davon ausgehen, dass Lucia auch in Zukunft das Trikot des TSV tragen wird.
Haben kleinere Vereine überhaupt eine Chance, im Konzert der Großen mitzuwirken?
Dies wird nach meiner Auffassung leider zunehmend schwieriger, aber es ist auch nicht grundsätzlich unmöglich. Gerade im Jungendbereich zeigen die Siegerlisten, dass häufig Sportlerinnen und Sportler aus kleineren Vereinen die vorderen Plätze belegen und nicht durchgängig Athletinnen und Athleten aus den großen Leichtathletikzentren. Schwierig wird es dann häufig nach dem Jugendalter im Übergang zur Erwachsenklasse, vor allem bei denjenigen, die das Erreichen oder den Verbleib in einem Bundeskaders als Zielsetzung haben. Hier werden nicht selten Signale gesandt, dass vor diesem Hintergrund ein Wechsel in ein Leichtathletikzentrum, in dem womöglich auch noch ein Bundestrainer als Stützpunkttrainer die Leitung hat, notwendig wäre. Ohne Zweifel finden die Sportlerinnen und Sportler dort dann optimale sportliche Anlagen, beste medizinische Versorgung und natürlich in vielen Fällen auch interessante Trainingsgruppen vor. Andererseits gibt es auch immer wieder Beispiele, in denen Athletinnen und Athleten ihrem Heimatverein treu bleiben, weil sie hier eben ein familiäres Umfeld vorfinden und einen Trainer zu dem sie vollstes Vertrauen haben und mit dem sie schon über längere Zeit erfolgreich trainieren. Ehrlicherweise muss man natürlich sagen, dass diese so wunderbare Sportart Leichtathletik nicht die Sportart ist, in der man als nationaler Topathlet Geld verdienen kann. Das bedeutet sowohl für den Sportler aus auch den Verein, das man auf Unterstützung durch Sponsoren oder Gelder aus Fördertopfen angewiesen ist. Hier sind die großen Vereine in vielen Fällen logischerweise etwas besser aufgestellt.